Andacht mobil
An dieser Stelle gibt es für die Zeit, in der wir keinen Gottesdienst zusammen feiern können, jede Woche eine neue Andacht. Gleich hier auf dieser Seite, oder beim Spaziergang auf Papier in unseren beiden Kirchen bzw. in Mittelbuchen auch in unserer Sakristei.
Ein Wort zum Sonntag für die Woche zum Mitnehmen oder auf Ihrem Handy.
Ob unsere Bonifatiuskirche in Mittelbuchen oder unsere Kirche in Wachenbuchen so etwas schon einmal erlebt haben?
Misericordias Domini
Gottesdienst: Stefanie Bohn
Votum
Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes, Amen.
Entzünden der Kerze
Psalm 23
Wir nehmen Zuflucht im Gebet mit Worten aus Psalm 23
Der Herr ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße
um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück. Denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl
und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit
werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben
im Hause des Herrn immerdar.
Amen.
An(ge-)dacht
Liebe Gemeinde, herzlich begrüße ich Sie an diesem Sonntag. Egal, wo Sie sich gerade aufhalten, ob Zuhause, in der offenen Kirche, im Freien oder an einem anderen Ort. Misericordias Domini heißt dieser Sonntag. Wir sprechen auch vom Hirtensonntag. Was ihn ausmacht, lässt sich meines Erachtens sehr schön an Psalm 23 verdeutlichen. Liebe Gemeinde bei „Psalm 23“ handelt es sich wohl um das bekannteste Gebet aus der Bibel. Im Konfirmandenunterricht haben viele von Ihnen es bestimmt auswendig gelernt. Einige haben mir öfters davon erzählt: von Früher, von der Konfirmandenzeit, ihrer Konfirmation damals. Psalm 23 ist ein fester Bestandteil unserer Gottesdienstkultur geworden. Als Pfarrerin habe ich in den vergangenen acht Jahren, die ich bereits hier tätig bin, bemerkt, dass er sich teilweise als Tauf-, Trau- und Trauerwort durch mehrere Generationen einer Familie zieht – auch hier bei uns in Wachen- und Mittelbuchen. Bei den Jubiläumskonfirmationen habe ich oft erlebt, dass Jung und Alt den Psalm 23 mitsprechen können. Gott ist mein Hirte. Dabei ist das Bild des Hirten selten geworden. Wo begegnen wir schon einem Hirten in unserer städtischen Rhein-Main Gegend? - Nirgends. Vielleicht hat der eine oder die andere im Urlaub einmal den Weg eines Hirten gekreuzt, aber ich glaube auch das ist eher selten. Meine Begegnung mit Hirten ist eher literarischer Natur. „Die Schafe von Glennkill“ heißt der Titel des Buches, das mir zum heutigen Sonntag einfiel. Sein Inhalt ist schnell zusammengefasst:
„Gestern war er noch gesund“, sagt Maud. „Aber heute, da liegt er schon im saftigen irischen Gras, neben dem Heuschuppen unweit des Feldwegs.“ Liebe Gemeinde, sie meint damit ihren Schäfer, George Glenn. Die 30-jährige Münchner Autorin und Irland-Freundin Leonie Swann schreibt in ihrem Buch einen „Schafkrimi“. Das Originellste sind mit Abstand Maud und der Rest ihrer Truppe. Denn es sind tatsächlich die Schafe, die sich daran machen, den Tod ihres Schäfers aufzuklären. Und nach und nach gelingt es ihnen Licht ins Dunkel zu bringen. Der Schäfer hatte ihnen abends immer aus Kriminalromanen vorgelesen. So machen die Schafe sich einerseits auf die Suche nach dem Mörder, nach dem Schuldigen, andererseits wissen sie aber auch, dass dies kein leichtes Unterfangen ist und die erste mögliche, weil vielleicht offensichtlichste Antwort, meist nicht die richtige ist. Und über der Schuldfrage stellt sich im Laufe des Romans immer wieder die Frage, wer sich nun eigentlich um die Schafe in ihrer Not kümmert. Denn immerhin bleiben sie allein zurück. Wer kümmert sich um die Schafe? Wer kümmert sich um die Herde?
Liebe Gemeinde, das sind Fragen, die im vergangenen Jahr auch immer wieder an die Kirche herangetragen wurden. Wo sind eigentlich die Hirten von Gottes Gemeinde – gerade in Corona-Zeiten? Wer kümmert sich um uns in der Not?
Über aller Kritik ist mir über Psalm 23 an diesem Sonntag etwas besonders deutlich geworden… Eine leichte Antwort wird es auch hier nicht geben.
Vielmehr musste ich an zwei Pfarrer auf einer digitalen Synode denken, die über Seelsorge in Zeiten von Corona berichteten. Der eine hat aus Gründen der Vorsicht keine Besuche gemacht. Er hat Karten zum Geburtstag alter Menschen, die zur Risikogruppe gehörten, geschrieben. Der andere hat anders gearbeitet. Mit 47 Älteren telefonierte er in einem halbem Jahr. 43 der Menschen, die zur Risikogruppe gehörten, haben einen Besuch von ihm gewünscht. Vieren war das zu risikoreich. Sie baten ihn von einem Besuch Abstand zu nehmen. Daneben stand die reale Erfahrung, auch an Corona-Verstorbene beerdigt zu haben.
Was nun?
Ich denke, was die Pandemie offenbart hat, ist, dass nicht nur die Schafe nach dem richtigen Weg für sich und die Herde suchen und fragen, sondern auch die Hirten und Hirtinnen der Gemeinde unsicher sind, welcher Weg der sicherste für sie selbst und die Herde ist. Viele Wege, auf denen sie sich die menschlichen Hirten und Hirtinnen zuvor bewegten, sind durch die Pandemie nicht mehr sicher oder begehbar, auch oder obwohl sie vorher sicher, breit und gut betretbar gewesen sind – wie bei einer Brücke, die eigentlich sicher über einen Fluss führt, die einzelnen Bretter aber plötzlich über Nacht morsch geworden sind und die Brücke plötzlich nicht mehr betreten werden darf. Und wie im Schafkrimi standen Schafe, aber auch menschliche Hirten/ Hirtinnen wie erstarrt vor dem plötzlichen Sterben so vieler Menschen. Aus dieser Perspektive oder so betrachtet ist es natürlich schwierig, in Zeiten einer Pandemie ein guter Hirte oder eine gute Hirtin zu sein. Ein guter Hirte sollte den Weg ja schließlich kennen – für den einzelnen und gleichzeitig für viele. Plötzlich ist jedoch Vorsicht geboten. Plötzlich heißt es, gut abzuwägen, was erlaubt ist und was nicht - was hilfreich ist und was nicht, was gefährlich ist und was nicht…. Schließlich möchte niemand – weder Schafe noch Hirten – den je anderen plötzlich tot auffinden, wie die Schafe im Roman von Leonie Swann. Vielleicht ist mancher Besuch möglich – vielleicht muss man aber auch wirklich Abstand davon nehmen. Wer will schon der Mörder des anderen sein?
Liebe Gemeinde, was mir über all den Sorgen und den Fragen in der Pandemie immer deutlicher wird, ist wie begrenzt doch das Bild des guten Hirten auf Menschen anwendbar ist und dass es mehr hinkt als dass es Menschen gut zu Gesichte steht. Heute am Hirtensonntag, empfinde ich Psalm 23 bei allem Grübeln für Gottes Gemeinde da sein zu wollen, als nötige und notwendige Korrektur. Psalm 23 spricht nicht von mir als Pfarrerin oder einem anderen Kollegen als gutem Hirten, sondern von Gott selbst. Der Betende in Psalm 23 vertraut Gott und drückt dies in seinem Gebet auch aus:
Der Herr, d.h. Gott ist mein Hirte. Er kennt mich. Er weiß, wie es mir geht. Wenn ich zögere, dann stupst er mich an. Wenn ich den Kopf hängen lasse, schenkt er mir Mut. Wenn ich voranpresche und Gefahr laufe mir selbst oder anderen zu schaden, hält er mich zurück. Immer wieder will er, Gott, mir Gutes schenken. Das gilt für die menschlichen Schäfer und Schäferinnen ebenso wie für den Rest Seiner, nämlich Gottes Herde: Das kann die Bank an der frischen Luft sein, auf der ich gerade sitze oder die Sonnenstrahlen, die gerade mein Gesicht wärmen; das kann der Enkel / die Enkelin sein, der/die mich über Skype oder WhatsApp erreicht oder das „Guten Morgen“ der Nachbarin/ des Nachbarn über den Gartenzaun u.s.v.m.
„Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal…“ Corona ist ein Tal durch das wir alle gehen, liebe Gemeinde, und dem wir uns immer wieder stellen müssen – auch heute, am Bundesweiten Gedenktag der an Corona-Verstorbenen. Worauf wir alle, menschliche SchäferInnen und Schafe gleichermaßen vertrauen und hoffen dürfen ist, dass Gott uns in diesem finsteren Tal zur Seite steht. Jesus hat einmal gesagt: Ich bin der gute Hirte.“ Er weiß, wie es einem jeden von uns geht. Er war selbst ganz unten, starb den Tod am Kreuz an Karfreitag. Gott ist bei mir im Leben, weil er selbst gelebt hat. Gott ist bei mir im Tod, weil er ihn selbst gestorben ist. Und heute ist er bei all jenen, die im vergangenen Jahr einen geliebten Menschen verloren haben: an Corona, an Krebs, durch einen Unfall, durch Krieg oder Hungersnot oder durch ein anderes Leiden dieser Welt.
Was ist uns also Grund zur Hoffnung? Welche Hoffnung können wir am heutigen Hirtensonntag finden?
Die Hoffnung der Schafe von Glennkill ist, dass sie irgendwann einen neuen Schäfer finden. Und am Ende des Buches ist das auch so. Ihre Hoffnung wird demnach erfüllt. Wie steht es aber mit unserer Hoffnung als Christen?
„Ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“ Gott, der gute Hirte zieht mit seiner Herde weiter und er bleibt ihr guter Hirte auch über den Tod hinaus. Das ist ein – ich finde sogar – der wesentliche Unterschied. Gott bleibt mein Hirte auch über den Tod hinaus. Und ich kann mir sicher sein. Gott geht mit. Nach der Bibel hat Gott kein festes Haus, er wohnt in einem Zelt. Seine Schafe haben demnach nicht nur einen Stall, sondern Gott, ihr guter Hirte, findet immer wieder neue Plätze, an denen sie sicher und geborgen sind, wo es sich gut und gerne sein und leben lässt. Und Gott geht mit und zieht mit, wenn ich in ein anderes Haus komme: zum Beispiel ins Hospiz, ins Krankenhaus, zu den Kindern, in eine neue Umgebung, die mir fremd ist… Psalm 23 verheißt: in Gottes Haus werde ich immer bleiben. Dort bin ich geborgen. Hier auf Erden und einst für alle Zeit in seiner, nämlich Gottes Ewigkeit. Amen.
Gebet
Da sind wir, Gott.
In deiner Nähe suchen wir Schutz.
Die Pandemie erschüttert
unser Leben schwer.
Bis in die Grundfesten.
Hilf du uns standhalten.
Das dunkle Tal scheint kein Ende zu nehmen.
So viele Menschen haben ihr Leben verloren.
Heute denken wir an sie und bitten dich:
Sprich tröstend mit uns an diesem Morgen.
Lass uns spüren:
Du bist da.
Und lebst mit uns in deinem Sohn.
Amen.
Videoandacht
21. Februar 2021
Gottesdienst zum Gedenken
19. Februar 2021
Sie möchten sich frühere Andachten (nochmal) ansehen?
Videoandacht
Hier gibt es jeden Sonntag um 9 Uhr einen neuen Gottesdienst aus der Kapelle im Haus der Kirche in Kassel
https://www.youtube.com/channel/UChr8o9D8n3uMrHfZphl_qMQ
LICHT DER HOFFNUNG
12 Uhr Gebet
Glocken ertönen von vielen Kirchen an jedem Tag, bei uns nun auch am Mittag. Zusammen mit vielen Kirchengemeinden laden wir ein:
An unseren jeweiligen Aufenthaltsorten können wir ein Licht der Hoffnung entzünden und sind während des 12 Uhr–Glockengeläuts gemeinsam im Gebet verbunden, z.B. mit folgenden Worten:
Gott,
wir beten für unsere Mitmenschen, mit denen wir auf welche Art auch immer verbunden sind,
für die, die unserer Sorge anvertraut sind
und für uns selbst, die wir uns Sorgen machen.
Mit unserem Gebet versetzen wir sie und uns in Deine Gegenwart.
Stärke uns in diesen Tagen des Abstands und der Distanz zueinander.
Beflügle unsere Fantasie, damit wir entdecken, wie und wo wir teilen und die unterstützen können, die uns brauchen.
Stehe denen bei, die krank werden und nicht wissen, wie es ihnen morgen geht und ob sie die Hilfe bekommen, die sie benötigen.
Gott, du leidest mit uns an dieser Welt.
Lass aus unserer Angst ein Loblied werden.
Amen.
Wenn Sie mögen, stellen Sie Ihr LICHT DER HOFFNUNG abends in ein Fenster zur Ermutigung aller, die zu Hause bleiben müssen und sich einsam fühlen.
Ihre Pfarrerin Stefanie Bohn